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von
Lic. Dr. Albert Schweitzer
in Strassburg i. E.
Erstes Heft.
Das Abendmahlsproblem
auf Grund
der wissenschaftlichen Forschung des 19. Jahrhunderts
und der historischen Berichte.
Tübingen und Leipzig.
Verlag von J. C. B. Mohr (Paul Siebeck).
1901.
Das Recht der Uebersetzung in fremde Sprachen behält sich
die Verlagsbuchhandlung vor.
C. A. Wagner's Universitätsbuchdruckerei in Freiburg i. B.
Seinem Lehrer
Herrn Prof. D. Dr. H. J. Holtzmann
gewidmet
in aufrichtiger Verehrung und treuer Anhänglichkeit
von seinem dankbaren Schüler
Albert Schweitzer.
Der Anstoss zu der vorliegenden Arbeit ging von Schleiermacheraus. Im Jahre 1897 erhielt ich nämlich als Thema fürmeine schriftliche Examensarbeit folgende Aufgabe gestellt: DieAbendmahlslehre Schleiermacher's soll dargestellt und mitden im neuen Testament und in den Bekenntnisschriften niedergelegtenAuffassungen verglichen werden.
Ich hatte mich bis dahin mit der Abendmahlsfrage gar nichtbeschäftigt und war über die neuesten Forschungen in keinerWeise orientiert, hatte auch keine Zeit dies nachzuholen, weil dieArbeit innerhalb acht Wochen abgeliefert werden musste. Sowar ich einzig auf die Texte und die bekenntnismässigen Formulierungender verschiedenen Konfessionen angewiesen.
Die Schleiermacher'sche Dialektik ersetzte mir aber alles.Sie zergliedert nämlich das Problem so, dass es als Ganzes undzugleich in allen Details vor einem steht. Man braucht nur geschichtlichErnst zu machen mit dem dialektischen Spiel, das ermit vollendeter Kunst zur Beruhigung und Versöhnung derGeister und zugleich zu seinem eigenen ästhetischen Ergötzenaufführt, dann ist man genau auf dem Standpunkt der modernenhistorischen Forschung angekommen.
Ein Satz besonders ist hier entscheidend. In § 139 3 der Glaubenslehre redet er vom äusserenVerlauf unserer Feier und zeigt, wie wir uns bei der Reproduktion derhistorischen Umstände naturgemäss auf das Wesentliche beschränkenmüssen. Wollte man z. B. einen bedeutenden Nachdruck auf denZusammenhang, in welchem das historische Mahl mit dem Passahmahlstand, legen, so würde man alsbald zur Folgerung gedrängt werden,„dass das Abendmahl jetzt nicht mehr das sein könne,als was es Christus