KAREL ČAPEK

KREUZWEGE

LEIPZIG
KURT WOLFF VERLAG

BÜCHEREI „DER JÜNGSTE TAG“ BAND 64

GEDRUCKT BEI DIETSCH & BRÜCKNER IN WEIMAR

EINZIG BERECHTIGTE ÜBERTRAGUNG AUS
DEM TSCHECHISCHEN VON OTTO PICK

STOCKEN DER ZEIT

Warum ist jener, an den ich denke, welcher sich über denSchreibtisch beugt, warum ist er so unbewegt, warum warteter und horcht, daß etwas außer ihm geschehe; als ob ihm irgendeinDing einen Wink im Kummer geben könnte und einen Abschlußdieser unendlichen Reihe von Unsicherheiten, die ihndurchwallt. Alle Dinge um ihn herum sind nur melancholieverhangeneGewohnheiten; nur die gegenüberstehende Wand derGasse hat in der formlosen Stille einen ungewöhnlich dummenund so unangenehmen Ausdruck, daß der Mensch, leidend,sich dankbar an das Rasseln einer Droschke auf dem Pflaster hält,als einem Ausgangspunkt von dieser Sekunde zur nächsten.

Klapp-klapp der Hufe im Räderknarren, langes rhythmischesKettchen und Poltern hinter der Ecke, rasches Rasseln auf denSteinen; das ist etwas, was sich aufrollt in die Ferne wie einKnäuel, jetzt schon von weitem immer schwächeres Klappern,ein Ticken so lang wie ein dünner gespannter Faden, so dünn,daß er fast nicht mehr ist, schon nichts mehr ist als angespannteEntfernung, unmögliche Länge, und Stille.

Die Stille von innen und außen flossen zusammen wie zweivon nichts gekräuselte und durchaus gleichartige Wasserflächen.Alles ist durchaus gleichartig wie eine Fläche, unbewegt und gespannt.Der Mensch beim Tisch hält den Atem an und sein Herzsteht wie eine Fläche. Die Stille ist gespannt wie ein Tuch, undalles ist still, alle Dinge sind Stücke der Stille, hineingeplättet indie glatte Ebene ohne Regung Tisch und Wände, alle Dingezusammen sind wie eine Zeichnung auf geglätteter Fläche,klar, ohne Verkürzung und Schatten. Sie sind eine gespannteOberfläche, die ohne Falten und Rauheit ist; alle sind in dieserunstofflichen Ebene enthalten wie in Eis festgefrorene Halme.Nicht einmal der Mensch beim Tisch ist außerhalb ihrer: er istdort, ohne Regung, in der unendlichen Ebene der Dinge, undkann sich ihr nicht entraffen; wenn er sich rührte, fühlt er, würdeeine Entgleisung und ein Zusammensturz aller Teile erfolgen,ein furchtbares Zusammenschrumpfen der gespannten Oberflächen.Ohne Erstaunen, ohne Inneres, ohne Zeit. Angst, daß diesvielleicht der Tod sei, ein Abgang, Vernichtung. Nicht fühlen, dasist das positive Gefühl des Nichtseins und ein starkes Leiden amNichtsein; unbewegter Kampf des Unbewußten um den Gedankenund Beklemmung in den Grenzen der Leere. Überall Ebenemit trauriger toter Oberfläche. Und dieses, was steht, ist die Zeit;wäre es möglich, sie zu bewegen, so zerfiele sie sogleich in tausendeSekunden, die, tot, wie Staub zerflatterten. Doch der Menschbeim Tisch fürchtet sich zu rühren; mit all seiner Bangheit undMachtlosigkeit ist er in der Stille festgelegt wie ein Insekt indurchsichtigem Bernstein; er ist einfach eingestellt.

Und da Schritte auf dem Gehsteig, schöne, laute und ordentliche.Die Welt in der reglosen Fläche ist in lautloser Explosionauseinandergefallen; die eckigen und massiven Dinge recktensich krachend auf, der Mensch an seinem Tische breitet sich ausin alle Richtungen des Raums im Gefühl seiner reichen Verz

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