Begegnisse
eines
jungen Thierquälers

oder

»Der Gerechte erbarmt sich auch
seines Thieres.«


Eine neue Erzählung
für die Jugend.

Vom Verfasser
des
»Glockenbuben.«


Mit einem Stahlstich.


Augsburg, 1843.
von Jenisch und Stage'sche Buchhandlung.

Pag. 88

P. C. Geißler gez.
Stahlstich v. Carl Mayer's Kunst-Anstalt in Nürnberg.

Erstes Kapitel.
Das Dohlen-Nest.

An einem stürmischen Tage befanden sich vieleKnaben auf der Wiese nächst einem Städtchenunfern Bremen, welche alle lebhaft beschäftigtwaren, einen papiernen Drachen steigen zulassen.

Karl Daruff zeichnete sich besonders aus; erwar der Besitzer des Drachen, den er triumphirendtrug, während ihn seine Jugendgenosseneng umgaben, wie ein Fahnenträger eingeschlossenist, wenn es in's Feld geht.

Das Bild des Drachen, welches mit hellenFarben von Karl auf dem Papiere entworfenwar, bot den Vorübergehenden vielen Stoff zum Lachen und zu allerlei schnurrigen Bemerkungen;denn fürwahr, es machte der Phantasie desKünstlers Ehre, welcher ein Wesen erschuf, dasdem Kopfe nach einem grimmigen Löwen, demLaufe nach einem Krokodille und dem Ringelschwanzenach vollkommen einem Delphine glich.

Die Tauben auf dem Felde flüchteten sich schonvon Ferne und eilten dem Schlage zu, so baldsie des Bildes gewahr wurden und ein Fuhrmann,der des Weges kam, hatte den Aufwand allerseiner Kräfte nothwendig, um die ob dem schauerlichenAnblicke scheu gewordenen Stiere an sichzu halten.

Karl suchte nun auf der Wiese eine etwas erhabeneStelle aus, die Schnur wurde so weites nothwendig, aufgerollt, und als sich jetzt wiederder Wind stärker erhob gab er dem Dracheneinen leichten Stoß nach oben, dieser schwebteallmählig empor und auf einmal stand er majestätischoberhalb dem Städtchen und lustig war esanzusehen, wie schnell sich alle Tauben von denDächern flüchteten, indem sie die Erscheinung wohlfür einen hungerigen Geier halten mochten.

Die Knaben auf der Wiese freuten sich sehr,bis ihre Freude plötzlich dadurch gestört wurde,daß die Schnur bei einem heftigen Windstoße zerrißund der Drache nun frei in den Lüften schwebte.Aller Augen folgten den Bewegungen desselben,der sich allmählig senkte, dann wieder horizontalvom Winde fortgerissen wurde. Auf einmalerhielt er eine Richtung nach dem in derNähe sich befindenden Walde, die Knaben aberverloren ihn nicht aus dem Auge, und eilten demWalde zu und Karl war der Erste.

Auf einem hohen Baume ließ sich endlich derDrache nieder und verwickelte sich mit der Schnurin dem Wipfel. Karl entledigte sich sogleich seinesRockes und schickte sich an, den Baum zu ersteigen.Zwar wollten ihm einige Andere zuvorkommen,allein er als Eigenthümer des Drachenbestand darauf, daß es nur ihm zustehe, denBaum zu ersteigen. Mit vieler Fertigkeit kletterteer den Stamm empor, kam dann von Ast zuAst immer höher, bis er den Wipfel erreichte,und so dem Drachen nahe war. Da rief er:»seht! seht! ein Vogelnest!« Die unten Stehenden...

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